Interreligiöser Dialog
Zur Zeit bin ich für meinen Arbeitgeber einmal mehr in Indonesien, dem Land mit den meisten Moslems in der Welt.
Die Auseinandersetzungen der letzten Jahre sind ja auch an diesem Land nicht spurlos vorübergegangen. Immer wieder wird hier in den Zeitungen über die Jagd nach den Führern des asiatischen Jihad berichtet.
Aber es gibt auch anderen Töne. Children of Abraham heißt zum Beispiel eine Organisation, die den Dialog zwischen Moslems und Juden fördern will. In der Sonntagsausgabe der Jakarta Post berichtet eine junge indonesische Muslima, Dania Pari Pratiwi, vom zweiten Weltkongress dieser Organisation, der im März in Sevilla stattfand. Zwar ist ihr Bericht eher eine Schilderung der Atmosphäre, doch die Signale, die von so einem Bericht ausgehen, sind hoffnungsvoll. Denn es sind Rabbiner und Imame, die sich zu diesem Kongress getroffen haben - geistliche Führer also, die einen gewissen Einfluss ausüben können in ihrer jeweiligen Glaubensgemeinschaft.
Danias Beschreibung macht aber auch etwas anderes deutlich: Es sind oft die ganz Jungen oder die Alten, die den Dialog suchen. Sie berichtet am Anfang von ihren Begegnungen mit einigen Rabbinern - großväterlichen Menschen - und sie endet auch damit: "I met a lot of grandpas at the congress".
Sie kann darüber lachen, aber ich empfinde dieses Lachen als bitter. Übrigens ist dieser Bericht in der Jakarta Post auf der gleichen Seite mit einem Bericht über das schwierige Verhältnis von Indonesien und Israel erschienen - ein Verhältnis, das teilweise auch durch Unkenntnis geprägt ist, so wie oftmals - glaube ich - unsere europäische Sicht des Islam auch sehr einseitig ist.
Vielleicht ist das gerade hier in Indonesien ein bisschen anders. Immerhin gibt es doch relevante christliche Gemeinschaften in Indonesien, die katholische Kirche zum Beispiel zählt sieben Millionen Gläubige, wie ich heute in der Jakarta Post las. In der gleichen Ausgabe erschien auch ein Artikel über die Möglichkeit des Interreligiösen Dialoges zwischen Christentum und Islam. Im Gegensatz zu dem Bericht von Dania, geht der Autor dieses Artikels, M. Adhiatera, mehr auf die Inhalte ein. Seine Analyse ist recht treffend - der Gegensatz der Gesellschaften liegt vor allem begründet in der Art, wie mit der Religion in der Öffentlichkeit umgegangen wird, im Säkularismus der westlichen, europäisch geprägten Welt.
M. Adhiatera bezieht deutlich Stellung zum Säkularismus - wenn ich ihn richtig verstanden habe. Er betrachtet ihn nicht als Option für die Gesellschaften, die ihre religiösen Wurzeln im Islam haben. Der Säkularismus ist für ihn die europäische Antwort auf die finsterste Phase der europäischen Geschichte, das durch relgiöse Intoleranz und Totalitarismus geprägte Mittelalter, das erst mit dem reformatorischen Ansatz von Martin Luther ein Ende gefunden hat. Dieser reformatorische Ansatz beinhaltet, dass die relgiösen Quellen, die Schriften erneut interpretiert wurden. Dieser evangelische Grundansatz scheint dem Islam bisher eher fremd zu sein.
Und doch, eine derartige Reformation, verstanden als Neubesinnung auf die religiösen Wurzeln, befürwortet Adhiatera:
"Reform" can be misinterpreted as meaning to change something old and bad into something new and good. Perhaps it is better to use the terms "rethinking" or "repositioning". But to start rethinking or repositioning one condition is required: there needs to be safe room to interpret holy books, nd encouragement to think critically about religious teachings and practice.
Die europäischen und arabischen Ländern sind - allen multikulturellen Debatten zum Trotz - doch recht monoreligiös geprägt. Das verstellt manchmal den Blick. Vielleicht sollten wir das eine oder andere Mal den Blick in Richtung Osten, genauer gesagt nach Indonesien wenden, einer multirelgiösen Gesellschaft, in der sich trotz aller Konflikte solche Diskussionsansätze zeigen.
Links: Children of Abraham